Kriegsschiffe im Schloss Chillon – ist es möglich?

Wer an mittelalterliche Seemächte denkt, spricht selten über Savoyen. Zu Recht, könnte man meinen, da der Staat ja während dem Grossteil des Mittelalters eine Alpenenklave war. Tatsächlich dauert es bis ins 14. Jahrhundert, bis Savoyen 1388 Nizza hinzugewinnt und sich ans Mittelmeer ausdehnt.

 

Galeere von Savoyen, in der Nähe von Villeneuve

Aber die Grafen und später Herzöge von Savoyen haben nicht so lange gewartet, um sich die Herrschaft übers Wasser zu sichern. Während mehreren Jahrhunderten haben sie eine wahrhafte «Kriegsflotte» auf dem Genfersee unterhalten. Um zu verstehen, woher dieser Wille zur Beherrschung des Sees kommt, muss man ins 13. Jahrhundert zurückreisen.

Zu dieser Zeit lässt sich das Haus Savoyen dauerhaft in der Genferseegegend nieder. Es kontrolliert die grossen Alpenpässe und die Strassen, auf denen Händler und Pilger aus Norditalien nach Frankreich und umgekehrt reisen können. Auf Expansionskurs ziehen sie gen Norden und nehmen das französische Chablais, einen Teil des heutigen Walliser Chablais und das Waadtland ein.

Und was haben alle diese Regionen gemeinsam? Den Genfersee.

Nachdem sie den See unter ihre Kontrolle gebracht hatten, machten die Savoyen ihn zum Zentrum ihres Reiches. Zu diesem Zweck begannen sie mit dem Bau von Schiffen, die sowohl dem Krieg als auch dem Handel dienen. Die ersten Erwähnungen stammen aus den Jahren 1258 und 1259, aber die Beschreibungen sind so vage, dass es unmöglich ist, herauszufinden, um was für Schiffe es sich genau handelte.

Porträt von Amédée V, 1701

Das Schloss Chillon befindet sich an einem strategischen Ort, von dem aus die Savoyen den stark befahrenen Durchgang zwischen dem Genfersee und dem Chablais kontrollieren können. Nicht umsonst entscheiden die Grafen, ihre kleine Armada unweit von Chillon – im Städtchen Villeneuve – zu bauen und zu lagern.

Die Dinge ändern sich unter der Herrschaft des Grafen Amadeus V. (1285-1323), der seine Hochzeit mit Prinzessin Sybille de Bâgé im Schloss am Genfersee feiert. Er lässt Schiffbauer aus Genua kommen für eine grosse Baustelle. Es werden vier Galeeren gebaut nach dem Vorbild derjenigen, die das Mittelmeer befahren. Diese «Riesen», auf denen bis zu hundert Ruderer Platz haben, werden von kleineren Schiffen begleitet.

Die italienischen Schiffbauer bringen dreieckige, sogenannte Lateinersegel mit, die effizient sind, um gegen den Wind zu segeln. Die Segel der Schiffe auf dem Genfersee sind mit dem Kreuz der Savoyen geschmückt, das zu dieser Zeit zum endgültigen Wappen der Dynastie wird.

Die Arsenale von Villeneuve beherbergen auch Kriegsgerät und Lebensmittel, denn die Flotte hilft bei Eroberungsversuchen, indem sie Nahrung und Material anliefert. Diese Manöver richten sich die meiste Zeit gegen die Stadt Genf. Die Infrastruktur ist teuer, sehr teuer. Es wird geschätzt, dass in den Jahren, in denen der Unterhalt am meisten kostete, ein Sechstel des Jahresbudget des Hauses Savoyen dafür aufgewendet wurde.

Vom Standpunkt der Grafen (und später Herzöge) aus lohnte sich dies. Die Schiffe dienen auch dazu, ihr Prestige zu festigen. Sie transportieren die Adligen und ihre Familien, insbesondere zwischen dem Schloss Chillon und demjenigen von Ripaille, das im 14. Jahrhundert zu einer wahrhaft fürstlichen Residenz ausgebaut wird.

1343 zerstört ein schlimmer Brand die Lagerhallen von Villeneuve. Die Galeeren werden von den Flammen verschlungen, nur eine übersteht den Brand stark beschädigt. Die Savoyen lassen neue Schiffe und eine neue Werft erstellen, was zehn Jahre lang dauert.

Das Graffiti auf dem Schiff von Savoyen

Die Herrschaft über den See endete 1536, als die Berner das Waadtland einnahmen. Nachdem ihnen auch das Schloss Chillon in die Hände gefallen war, waren die Berner die neuen Herren über den Genfersee. Die Flotte von Savoyen findet 1600 ein definitives Ende, als die zwei letzten Galeeren den Berner übergeben werden.

Die Schiffe der Savoyen haben auch auf den Mauern von Chillon ihre Spuren hinterlassen. Im Schatzgebäude (41), das in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut und 1815 in ein Treppenhaus umgewandelt wurde, ist ein Schiff mit Lateinersegeln zu sehen. Finden Sie es?

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