Fiktives Interview mit Sybille von Bâgé

Heute interviewen wir eine savoyische Gräfin, die im 13. Jahrhundert lebte. Sie entstammt dem Geschlecht der Herren von Bresse (denken Sie an das Bressehuhn, den Blauschimmelkäse Bresse Bleu, die Bresse halt). Lernen Sie die einzige Fürstin kennen, die je im Schloss Chillon geheiratet hat.

Interview von Samuel Metzener / Übersetzung von Mirjam Grob

KURZBIOGRAPHIE

1255 Geburt

1272 Heirat in Chillon mit Amédée V.

1275-1291 Geburt von sieben (oder acht) Kindern.

1294 Tod

Sybille von Bâgé, Ihr Name ist uns nicht bekannt. Könnten Sie sich unseren Lesern vorstellen?

Was soll diese Frage? Muss man eine berühmte Prinzessin aus Frankreich oder Burgund sein, um mit Respekt behandelt zu werden? Haben Sie den Valois, Bourbons, Montferrats die gleiche Frage gestellt? Und nennen Sie mich gefälligst Ihre Hoheit, Sie Flegel!

Pardon, IHRE HOHEIT. Könnten Sie uns die Geschichte Ihrer Familie erklären?

So ist’s besser. Ich bin die Tochter von Guy II. von Bâgé, Herr von Bresse. Mir ist zu Ohren gekommen, dass unsere schönen Ländereien in Ihrer Zeit zurückgestutzt worden sind. Im 13. Jahrhundert erstreckten sie sich von der Ain bis zur Saône, zwei majestätischen Flüssen, und reichte im Süden bis vor die Tore der Stadt Lyon. Meine Familie geht weit zurück. Vater behauptete, sie reiche bis in die Epoche von Kaiser Karl dem Grossen und seiner Söhne (Anm. d. Red.: das 11. Jahrhundert)… aber er hatte kein offizielles Pergament, um das zu beweisen… Erzählen Sie bloss niemandem davon!

Siegel von Sybille de Bâgé, 1289

Wie kam es, dass Sie Amadeus V., den Grafen von Savoyen, geheiratet haben?

Die Länder meines Amadeusleins bestanden aus Bergen, Bergen… und nochmals Bergen. Kuhherden und Tannenwälder mögen ja schön sein für die Touristen und Pilger, aber sie bringen nicht sehr viel ein. Er wollte deshalb sein Reich vergrössern, Richtung Italien, Richtung Burgund, Richtung der wilden Länder von Allamania und Richtung Genf, das ein wichtiges Wirtschaftszentrum war. Bresse lag übrigens neben Genf. Ich war Einzelkind und ledig, also war ich die Erbin… Er hat gewittert, dass etwas zu holen ist, und hat bei meinem Vater um meine Hand angehalten. Dieser hat natürlich ja gesagt. Die Grafen von Savoyen waren eine mächtige Dynastie. Und los ging die Heiraterei!

Erzählen Sie uns von Ihrer Hochzeit.

Wir haben am 5. Juli 1272 in Chillon geheiratet. Nicht schlecht, hm? Zwischen See und… nun ja, Bergen, das war eine tolle Umgebung (aber natürlich nicht wie Paris oder London, das gestehe ich Ihnen zu)! Chillon war schliesslich das Lieblingsschloss von Peter II., dem Onkel meines Amadeusleins und einem der berühmtesten Grafen von Savoyen. Nach der Zeremonie floss der Wein in Strömen. Ein Ritter hat meinem Gemahl seine Ehre erwiesen, indem er in einem Kamin des Schlosses ein Graffiti von ihm erstellt hat. Er hatte es zweifellos etwas übertrieben mit dem Chasselas, denn seine Zeichnung steht auf dem Kopf! Ich glaube, man kann es noch heute sehen.

Porträt von Amédée V. von Savoyen, 1701

Und was war Amadeus V. für eine Art Ehemann? Herz aus Stein? Flammendes Herz?

Ein wackeres Herz! Er war ein Raufer! Er ist in Genf gegen die Dauphiné ins Feld gezogen und hat sogar gegen das Heilige Römische Reich gekämpft. Sein Spitzname war schlicht und effizient: «Der Grosse», weil er Grosses erreicht hat und er… nun ja, gross war. Er war auch ein Kontrollfreak. Für unsere Verbindung verlangte er Hochzeitsverträge, die jeden Hollywoodstar in den Schatten stellen würden. Eine seiner Forderungen war, dass er eine Horde von Kindern wollte, um die Linie zu sichern. Ich habe ihm sieben oder acht geschenkt, mit der Zeit habe ich die Übersicht verloren… und auch das Leben – mit 39 Jahren. Ich habe den berühmten «Club der Vier» gegründet. Sie wissen schon, den Club der vier Gräfinnen und Herzoginnen von Savoyen, die im Kindbett gestorben sind. Mein einziges Podium… welche Schmach!

Sie haben also eher unter dieser Verbindung gelitten?

Und wie! Savoyen hat mich das Leben gekostet! Bevor ich starb, konnte ich gerade noch ein Testament aufsetzen, das von meinem Gemahlen und mir paraphiert wurde. Ich habe beträchtliche Summen gesprochen dafür, dass zu meinem Gedenken und demjenigen meiner Familie Messen gelesen wurden. Sie sind nicht alle Herrscher von Frankreich geworden, das weiss ich, nicht so wie diejenigen der Damen von Bourbon oder von Berry, aber in meinen Augen waren sie genauso wichtig! Ich habe auch dafür gesorgt, dass mein ältester Sohn Eduard eine gute Zukunft hatte. Sterben ist eine seriöse Angelegenheit für eine Mutter…

 

Interview weitgehend auf der Grundlage des Fachbuchs: Vies de princesses ? Les femmes de la Maison de Savoie (XIIIe-XVIe siècle).

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