Fiktives interview mit Yolande von Montferrat

Diese Woche hat uns eine andere Fürstin von Savoyen ein exklusives Interview gewährt. Es handelt sich um die gottesfürchtige Yolande von Montferrat, die uns erklärt, weshalb sie es liebt, Kapellen zu bauen, aber Verwaltungsfragen zutiefst verabscheut.

Aufgezeichnet von Samuel Metzener / Übersetzung Mirjam Grob

Porträt und Biografie

 

Yolande von Montferrat, Kupferstich, Meißel, 7,2×4,5, Sammlung des Schlosses von Versaille, Nr. INV.GRAV.LP

 

Um 1318 Geburt

1330 Heirat mit dem Grafen Aymon von Savyien in Casale Monferrato, dann Umzug nach Chambéry

1334-1341 Geburt von fünf Kindern

1342 Stiftung der Katharinenkapelle

Anfang Dezember 1342 Geburt eines letzten Sohnes, der stirbt

Dezember 1342 Verschlechterung des Gesundheitszustands und Testament

23.-24. Dezember 1342 Tod  

Yolande von Montferrat, dürfen wir Ihnen eine naive Frage stellen? Könnten Sie unseren Leserinnen und Lesern sagen, wo ihr Heimatland liegt?

Yolande von Montferrat: Sie kennen Montferrat nicht?! Che ignoranti gli Svizzeri! Die Markgrafschaft Montferrat war erstklassig in Italien, denn sie wurde von meiner Familie regiert, die mit den byzantinischen Kaisern verwandt war. Was? Sie kennen nicht mal Byzanz? Das oströmische Reich? Die goldenen Mosaike? Mein Vater, Theodor I. von Montferrat, war der Sohn von Andronikos II., der «der Alte» genannt wurde. Ja, sein Beiname ist etwas speziell, aber ich erlaube Ihnen nicht, darüber zu lachen, vor allem nicht, wenn Sie aus einem Land kommen, in dem die Politiker Ueli oder Simonetta heissen!

 

Kommen wir auf Sie zurück, Ihre Hoheit. Wie kam Ihr Vater von einem orientalischen Kaiserreich in ein kleines Stückchen Land in Italien?

Ein kleines Stückchen Land!? Arrogante! Der Vorgänger meines Vaters, Johann I. von Montferrat, hat keine Erben hinterlassen. Achtung, wenn ihr ihn aus Spass Jean Ferrat nennt, wie den französischen Sänger, dann befehle ich, dass man Euch die Nase abschneidet! Johann hatte eine Schwester, die Andronikos II. geheiratet hat und Kaiserin geworden ist. Johann war also der Onkel meines Vaters, wenn Sie mir folgen können? Also erbte mein Vater seinen Titel, da er sein Neffe war. Und daneben hat er auch die Tochter des Admirals des Königs von Aragonien und Sizilien geheiratet… Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ich bin die Ältere, 1318 geboren, und mein Bruder Peter wurde drei Jahre später geboren. È bellissimo!

Springen wir etwas weiter in der Zeit. Am 1. Mai 1330 ehelichen Sie den Grafen Aymon von Savoyen. Haben Sie uns etwas Pikantes zu erzählen?

Pikant? Unsere Heirat diente den Interessen aller Beteiligten. Der Ältere brauchte Hilfe, um den ottomanischen Türken beizukommen, die ihm das Leben schwer machten. Mein Vater reiste zwischen dem Orient und dem Okzident hin und her, um Werbung für ihn zu machen. Die Savoyen sagten sich «Jackpot»! Natürlich war Chambéry nicht gerade Paris oder London, aber es war das Beste, was wir mit unseren bescheidenen Mitteln erreichen konnten. Wir hätten uns auf keinen Fall mit irgendwelchen Habenichtsen wie beispielsweise den Schweizern eingelassen!

 

Aber hat Aymon Ihnen denn gefallen? Wie war er so? Lover? Bad boy? Harte Nuss?

Auf keinen Fall eine harte Nuss. Er war eher ein Streber. Es gefiel ihm am meisten, die Verwaltung und die Archive von Savoyen weiterzuentwickeln. Heute würdet ihr das «data» nennen. Ich hörte ihm höflich zu, aber ich kann Ihnen sagen, dass ich ihn irgendwann hätte erwürgen können! Wissen Sie, was er als Erstes getan hat nach unserer Heirat? Er hat die Buchhaltung über mich begonnen. Was für eine schöne Hochzeitsnacht!

Porträt des Grafen Aymon von Savoyen, Pierre Giffart (1643 – 1723), Graveur, François-Jean-Dominique Lange (1676 – 1756), Modellautor, vor 1702, Sammlung des Zentrum für Ikonografie der Stadt Genf

Hatten Sie dennoch Tätigkeiten, die Ihnen Freude bereiteten?

Die erste Aufgabe einer Fürstin ist es, schwanger zu werden. Das sollte Disney zeigen! Ich habe Aymon fünf Kinder geschenkt – bevor das sechste mein Ende bedeutete. Und dazu kommen noch all die Versuche, die zu nichts führten. Wenn die Zeit ohne Schwangerschaft zu lang wurde, pilgerte ich nach Bourg-en-Bresse, um zur Heiligen Jungfrau zu beten. Für die Byzantiner ist die Madonna die wichtigste Heilige… Etwa gleichbedeutend wie ihr Interesse für Pferderennen. Und weil sich Savoyen nicht so sehr für Pferderennen interessierten, habe ich mich der Madonna gewidmet (lächelt).

 

Was heisst das konkret, sich der Religion hinzugeben, wenn man keine Nonne ist?

Ich war sehr an meinem Seelenheil und demjenigen meiner Nächsten interessiert. Ich wollte nicht als Märtyrerin bei der Geburt sterben, damit meine Kinder nicht in die Hölle kommen. Deshalb habe ich ein Vermögen bezahlt, damit Kapellen gebaut und Messen für meine Familie gelesen wurden. Ich mochte die Franziskanermönche, die in Italien gute Arbeit geleistet haben. Sie halfen den einfachen Leuten und den Armen, wobei sie sie immer daran erinnert haben, was ihre Obrigen ihnen Gutes taten. Lobbyisten vor ihrer Zeit. Kurz vor meinem Tod habe ich in Chambéry eine schöne Kapelle errichten lassen, die der heiligen Katherina geweiht war, der Schutzpatronin der Jungfrauen und Sterbenden. Und ich hatte das richtige Gespür…

Gisant von Yolande mit ihrem Ehemann Aymon in der Abtei von Hautecombe, Samuel Guichenon, Histoire généalogique de la royale maison de Savoie, 1660.

Bei der Vorbereitung dieses Interviews haben Sie mir erzählt, dass Sie das Schloss Chillon besucht haben. Woran erinnern Sie sich?

Ich habe im Oktober 1336 drei Tage in Chillon verbracht. Die Farben waren schön, aber es war schrecklich kalt! Gott sei Dank, dass ich meine Hermelinpelze trug, um mich warm zu halten. Das Schloss an und für sich… war eher altmodisch. Es war ja schon hundert Jahre alt! Aymon hatte damals das gräfliche Schlafzimmer noch nicht neu gestalten lassen, so wie ihr es heute sehen könnt. Aber ich habe auch gar nicht darin geschlafen. Mein Liebster hat die gräflichen Gemächer für mich und meinen Hofstaat herrichten lassen. Trotzdem war es etwas beengt für uns auf dieser kleinen Insel.

 

Hätten Sie gerne etwas anders gemacht?

Mein öffentliches Image. Eine gute Christin zu sein ist eine Sache, aber ich hielt es nicht mehr aus, eine «Tochter aus gutem Hause» zu sein! Jean Cabaret von Orvile, der von meiner Gala in Savoyen im 15. Jahrhundert berichtet hat, sprach immerfort von meinen guten Sitten, meiner Lieblichkeit und meiner Treue. Aber immerhin habe ich meinen Teil des Vertrags eingehalten! Aymon seinerseits etwas weniger… Sieben oder acht Bastarde, stellen Sie sich vor! So hatte ich wenigstens eine Pause von meinen Schwangerschaften!

Interview, das hauptsächlich auf der wissenschaftlichen Veröffentlichung basiert : Vies de princesses ? Les femmes de la Maison de Savoie (XIIIe-XVIe siècle).

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