Sonderausstellungen

Seit 2005 zeigt die Schloss-Chillon-Stiftung regelmässig Sonderausstellungen im Herzen des Schlosses. Sie behandeln hauptsächlich die Geschichte des Bauwerks und des mittelalterlichen Savoyens sowie die wichtigsten Thematiken rund um Chillon: den See, die Berge, die Landschaft, das Reisen, die Romantik und die Kunst.

Die Geschichtsaustellungen verstärken die Strahlkraft von Chillon und untermauern den guten wissenschaftlichen Ruf des Schlosses. Zu diesem Zweck arbeitet die Stiftung jedes Jahr mit weiteren international anerkannten Instituten zusammen und zeigt regelmässig Objekte von grossem kulturellen Wert – manche davon einzigartig –, die von schweizerischen, französischen und italienischen Museen ausgeliehen werden.

LECKER!

Präsentiermesser eines Vorschneiders

Um ein Gelage vorzubereiten, mussten die Köche über die für ihre Kochkunst nötigen Küchengeräte verfügen. In seiner kulinarischen Abhandlung Du fait de cuisine listet Maître Chiquart – Chefkoch des Savoyenhofes – die Bedürfnisse seiner Brigade auf. Es braucht besonders grosse Messer, um die Tiere zu zerlegen und auszuweiden. Die Werkzeuge der Köche sind schon im Mittelalter für gewisse Aufgaben bestimmt.

Junker, die sogenannten écuyers tranchants, zerschnitten die Fleischgerichte, bevor sie dem Herrscher und seinen Gästen gezeigt wurden. Sie arbeiteten mit gefährlichen Werkzeugen in der Nähe des Herren und waren deshalb Vertrauenspersonen, die unter den adligen Gefolgsleuten ausgewählt wurden. Diese prestigeträchtige Arbeit verlangte nach einem richtigen technischen Fachwissen. Durch die Ausübung seiner Kunst trug der Junker viel zur Inszenierung des Gelages bei.
Vorschneider wird der Junker genannt, der das Fleisch seines Herrn zerteilt. Er muss geschickt vorgehen und eine gute Kenntnis der Anatomie der Tiere haben, um jedes Fleischstück beim ersten Mal an der richtigen Stelle zu zerschneiden. Das geschnittene Stück Fleisch wird dem Herrn auf der Messerklinge oder – etwas raffinierter – auf einer Vorzeigefläche wie dieser hier, in typisch deutschem Stil, gezeigt. Dieses Exemplar zeugt von einer grossen Goldschmiedkunst mit seinen Intarsien aus Knochen in geprägtem Messing.

Kulinarische Abhandlung Du fait de cuisine von Maître Chiquart

Die Handschrift S 103, die in der Mediathek Wallis in Sitten aufbewahrt wird, ist die einzige bekannte Kopie der kulinarischen Abhandlung von François Chiquart, dem Hofkoch des Herzogs von Savoyen Amadeus VIII. zu Beginn des 15. Jahrhunderts.

Im Jahre 1420 befahl der Herzog von Savoyen seinem Koch, sein kulinarisches Wissen und sein Kenntnisse über die Vorbereitung von Banketten schriftlich festzuhalten. Zu einer Zeit, als Manuskripte noch sehr teuer waren, ging es dabei nicht darum, dem Koch Ehre zu erweisen, sondern die Würde und die Legitimität des Hauses Savoyen, das kürzlich zum Herzogtum erhoben wurde, zu unterstreichen und an die wunderbaren Bankette zu erinnern, die es bei grossen Anlässen gab.
Maître Chiquart hat den Text einem Schreiber namens Jehan de Dudens diktiert, der sich in der Einleitung als Bürger und Kirchenmann aus Annecy vorstellt. Das Manuskript besteht aus 122 Blatt Papier und in drei Teile gegliedert: die Zubereitung eines Banketts, die zu Menüs zusammengestellten Rezepte und eine Dankesballade mit gelehrten Zitaten.
Meister Chiquart beschreibt vier prunkvolle Gelage mit ihren komplexen Zeremonien und ausgesuchten Speisen (Vögel, denen nach dem Braten die Federn wieder eingesteckt werden, Goldpulver, luxuriöses Geschirr, spektakuläre Zwischengerichte….) Alles wird getan, um den Glanz des Hofes von Savoyen hervorzuheben.

Diese von der Mediathek Wallis ausgeliehene Handschrift war vom 14. September 2018 bis am 28. April 2019 im Rahmen der Sonderausstellung Lecker! Essen und Trinken im Mittelalter im Schloss Chillon zu sehen.

Maître Chiquart
Du fait de cuisine
1420
Papier
Mediathek Wallis, Sitten
S 103

Aquamanile

Dieses Gefäss mit Henkel und Schnabel diente dazu, zu Beginn und am Ende eines Gelages den Gästen Wasser oder parfümierte Flüssigkeiten über die Hände zu leeren. Die meisten Aquamaniles kamen in Form eines Tieres daher. Dieses zeigt jedoch einen jungen, elegant gekleideten Mann.

Das Händewaschen gehört besonders ab dem 13. Jahrhundert zu den Tisch- und Reinheitssitten. Die Hände werden zu Beginn und am Ende der Mahlzeit gewaschen, aber auch jederzeit wenn nötig. Neben den Servietten dienen auch die langen Tischtücher manchmal als Handtücher.
Der Mesnagier de Paris, ein Buch über die Führung des Haushalts, das Ende des 14. Jahrhunderts verfasst wurde, enthält ein Rezept für Waschwasser: Um Wasser zu machen, mit dem die Hände zu Tisch gewaschen werden, kocht Salbei auf, lasst Wasser zulaufen und lasst es abkühlen, bis es lauwarm ist. Entweder gebt ihr Kamille und Majoran zu oder Rosmarin und kocht es mit Orangenrinde. Auch Lorbeerblätter sind gut.
Es handelt sich um Pflanzensude, die medizinische und desinfizierende Eigenschaften haben und manchmal mit Rosenwasser gemischt werden.Vor den Mahlzeiten oder vor der Messe werden die Hände mit der Hilfe von Aquamaniles gewaschen. Das sind Gefässe aus Keramik, aus Legierung oder aus Edelmetallen, welche oft die Form einer menschlichen Figur oder eines Tieres – meistens eines Löwen – haben. Dieses Exemplar ist in gotischem Stil gestaltet und stammt vermutlich aus Norddeutschland, vielleicht aus einem Kloster in Hildesheim.

Dieses vom Musée de Cluny-Musée national du Moyen Âge ausgeliehene Aquamanile war vom 14. September 2018 bis am 28. April 2019 im Rahmen der Sonderausstellung Lecker! Essen und Trinken im Mittelalter im Schloss Chillon zu sehen.

Die Regel des Benedikt von Nursia

Die Regel des Benedikt von Nursia (6. Jahrhundert), die die Mönche in ihrem Gemeinschaftsleben leiten soll, gibt in den Kapiteln 39 bis 41 Hinweise auf ihre Ernährung. Sie müssen einem Ideal der Armut und Demut folgen. Mäßigung ist ein Schlüsselwort, das der Heilige mit einem Auszug aus dem Neuen Testament rechtfertigt: „Habt acht auf euch selbst, damit eure Herzen nicht durch die Auswüchse des Essens und Trinkens belastet werden“ (Evangelium nach Lukas 21,34).

Die Regel des Heiligen Benedikt verbietet den Verzehr von Fleisch durch Vierbeiner, weil es Gewalt, Blut und Sexualität gleichgesetzt wird, angetrieben von rotem Fleisch; Mönche dürfen es nur im Krankheitsfall essen. Ihr Alltag besteht aus zwei Mahlzeiten aus Brot, etwas Wein und Pürees oder Suppen. Der größte Teil ihrer Ernährung basiert auf Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und Eiern.
Dieses Manuskript aus dem späten 11. Jahrhundert ist eine Zusammenstellung mehrerer Texte, darunter die Regel des Heiligen Benedikt. Es wurde von zwei Kopisten in winzigen späten Carolinas geschrieben. Das erste Wort der Regel (Avscvlta) beginnt mit einer Initiale, die mit Gemüsezweigen in Tinte verziert ist; es stellt eine Typologie dar, die „Pfeil“ genannt wird – Hohlbuchstabe und spitze Wendungen. Sie ist mit Minium gemalt, einem Bleioxid, das ihm seine rote Farbe verleiht und mit dem rostroten Braun des Textkörpers kontrastiert.

Dieses von der Stiftsbibliothek Einsiedeln ausgeliehene Manuskript war vom 14. September 2018 bis am 28. April 2019 im Rahmen der Sonderausstellung Lecker! Essen und Trinken im Mittelalter im Schloss Chillon zu sehen.

Regula S. Benedicti
Ende des 11. Jahrhunderts
Pergament
Stiftsbibliothek, Einsiedeln
Codex 117(497)

 

Manuskript von Sitten

Die ersten mittelalterlichen Kochrezepte gehen auf das Ende des 13. Jahrhunderts und den Beginn des 14. Jahrhunderts zurück. Die berühmteste – und im Mittelalter wohl am meisten abgeschriebene – Sammlung ist zweifellos der Viandier, der dem Meisterkoch der Könige von Frankreich Karl V. und Karl VI., Guillaume Tirel bekannt als Taillevent (um 1310-1395), zugeschrieben wird. Diese Schriftrolle ist die älteste bekannte Kopie dieses Textes.

Mittelalterliche kulinarische Abhandlungen wurden meist anonym verfasst; in den seltenen Fällen, in denen der Autor genannt wird, ist er fast immer ein Koch im Dienste eines grossen Fürsten. Der Text des Viandier erwähnt einen bestimmten Taillevent. Schon ab Ende des Mittelalters war bekannt, dass es sich dabei um Guillaume Tirel handelte, dessen Ruhm immer grösser wurde. Die Entdeckung dieser Pergamentrolle im Jahr 1953 machte diese Zuschreibung jedoch unwahrscheinlich, da das Manuskript vor der Geburt von Guillaume Tirel erstellt wurde. Tatsächlich war es im Mittelalter üblich, dass anonyme kulinarische Werke im Nachhinein berühmten Köchen zugeschrieben werden.
Der Viandier ist eine Sammlung von 133 Rezepten, von denen 116 auf Fleisch oder Fisch basieren; diese Allgegenwart von Fleischprodukten sowie der hohe Gewürzgehalt der beschriebenen Gerichte (Zimt, Pfeffer, Kreuzkümmel, Nelken, Safran, Muskatnuss…) zeigen, dass der Viandier sich an die Köche adliger Häuser richtete. Das Pergament ist 13,3 Zentimeter hoch und beinahe 2 Meter lang. Es konnte auf beiden Seiten eingerollt werden, so dass nur das gewünschte Rezept sichtbar blieb.

Dieser von der Mediathek Wallis ausgeliehene Pergamentrolle war vom 14. September 2018 bis am 28. April 2019 im Rahmen der Sonderausstellung Lecker! Essen und Trinken im Mittelalter im Schloss Chillon zu sehen.

Unbekannt
Viandier
Zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts
Pergament
Mediathek Wallis, Sitten
S 108

 

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