Ein mittelalterliches Schmuckstück wird in Chillon neu hergestellt

2011 hat die Schloss-Chillon-Stiftung im Rahmen eines Projekts, das zusammen mit dem Schloss Ripaille durchgeführt wurde, eine neue Version des Ringes des Heiligen Mauritius in Auftrag gegeben.

Eine neue Version und keine Wiederherstellung. Der Unterschied ist wichtig. Wir werden sehen, weshalb.

Ring des Heiligen Mauritius illustriert nach Pingons Beschreibung aus dem 16.

In einem früheren Artikel haben wir erklärt, dass das Schmuckstück Ende des 18. Jahrhunderts verloren ging. Wie konnte der Berner Goldschmied Rolf Nopper, der diesen aussergewöhnlichen künstlerischen Auftrag ausgeführt hat, arbeiten? Fing er bei Null an oder konnte er sich auf belegte Elemente stützen?

Die Tatsache, dass der Ring verschwunden ist, bedeutet nicht, dass es von ihm keine Spuren mehr gibt.

Der Ring ist bekannt durch eine Skizze, die im 16. Jahrhundert von Baron Emmanuel-Philibert de Pingon, dem Geschichtsschreiber der Savoyen, erstellt wurde. Er gibt zwei unterschiedliche Beschreibungen. Eine erste spricht von einem Goldring mit einem Achat, in den zwei Pfauen graviert sind. Nach zusätzlichen Nachforschungen gibt er eine zweite, detailliertere Beschreibung ab:

«Ein grosses, regelmässiges Oval aus Saphir, das etwa acht Kronen wiegt und in absolut reines Gold eingelassen ist. In den Saphir ist ein mit einem Paludamentum bekleideter Reiter (der hl. Mauritius) graviert, der in der rechten Hand eine Lanze hält, deren Spitze nach unten gerichtet ist. Er dient als Siegel. Auf der anderen Seite (auf dem Ring), sieht man einen Pfau, der nach links schaut.»

Gemäss dieser Beschreibung besitzt der Stein eine beträchtliche Grösse, was den gewaltigen Durchmesser des Rings erklärt. Dennoch muss die Arbeit Pingons mit Vorsicht genossen werden. Die Tatsache, dass er zwei unterschiedliche Porträts zeichnet, belegt, dass er den Ring nie gesehen hat und dass er sich auf ältere Quellen stützt. Dennoch bleibt er bis heute der älteste Zeuge davon, wie der Ring des Heiligen Mauritius ausgesehen haben könnte.

Ring des heiligen Mauritius, künstlerisches Juwel des mittelalterlichen Savoyen, ausgestellt in Chillon

Die Gravur macht den Stein zum Siegelstempel. Diese Handwerkskunst heisst «Intaglio». Dank ihr kann geschätzt werden, wann der Stein geschaffen wurde. Denn die Edelsteingravur verschwindet in Westeuropa zwischen Ende der römischen Antike und Anfang des Frühmittelalters (das letzte bekannte Exemplar stammt aus dem 6. Jahrhundert).

Die Beschreibung Pingons weist Ähnlichkeiten mit den Siegeln auf, die von den ersten «barbarischen» Königen im Westen verwendet wurden. Sie benutzen Saphire, auf denen sie sich manchmal mit einer Lanze oder einem Paludamentum (dem Purpurmantel, mit dem sich die siegreichen Generäle und später die Kaiser in Rom kleideten) zeigen liessen. So symbolisierten sie ihre guten Beziehungen zu Rom. Dazu kommt, dass die Toten in der Spätantike und im Frühmittelalter in der Regel mit ihrem Siegelring am Finger begraben wurden.

Die Abtei St. Maurice, woher der Ring angeblich stammt, verfügt über sehr alte Gräber, die zur gleichen Zeit wie die Gravur entstanden. Es ist nicht unrealistisch, zu glauben, dass der Stein später ausgegraben und in einen neuen Ring eingelassen wurde. Diese Praxis der Wiederverwendung von älteren Gegenständen war im Mittelalter durchaus üblich.

Büste des römischen Kaisers Septimius Severus (193-211), der ein Paludamentum trägt, um 204.

Das Sujet und die Art des Steins belegen sein Alter sowie die Tatsache, dass der Ring einer hochrangigen Person gehörte. Es ist aber unmöglich, ihn genau zu datieren. Als die Familie von Savoyen schriftliche Quellen über den Ring hinterlässt – Mitte des 13. Jahrhunderts –, beschränken sie sich darauf, zu sagen, dass er alt, gross und aus Gold ist.

Die Pfauen sind interessant, ermöglichen aber auch keine genaue Datierung. Pfauendarstellung sind in der frühchristlichen und später byzantinischen Kunst häufig. Im Okzident nehmen sie im 6. Jahrhundert stark zu, bevor sie im 7. Jahrhundert zuerst zurückgehen und später wieder aufkommen. Die Herstellung des Ringes geht also auf diese Zeitspanne zurück. Der erste Zeitpunkt fällt mit der Herstellung des Schmuckstücks des Heiligen Mauritius zusammen, der zweite mit dem Moment, als die Savoyen zu den Schutzherren der Abtei werden, die über die Reliquien des Heiligen verfügt. Es handelt sich entweder um ein altes Stück, das vielleicht sogar aus dem Frühmittelalter stammt und das die Savoyen benutzt haben, um den gravierten Stein zu befestigen, oder es ist ein Ring, der im 12. oder 13. Jahrhundert von Grund auf geschaffen und dem ein altes Aussehen verliehen wurde.

Auf jeden Fall verlieh der Bezug auf die Vergangenheit den Savoyen eine Legitimation. Anders gesagt: Es ging ums Angeben und ums Prestige.

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